Think Camp: „Welche Berufe braucht die Gesundheitsversorgung von morgen?“
Eine zunehmende Innovationsdichte und die Alterung der Gesellschaft – wie wirkt sich das auf die Berufsgruppen des Gesundheitswesens aus? Reicht es, die starre Einteilung in „Pflege und Arzt“ aufrechtzuerhalten und lediglich hier und da etwas anzupassen? Ist es sinnvoll, weiterhin zwischen ambulant und stationär zu unterscheiden? Sind neue Berufsbilder erforderlich, um die Gesundheitsversorgung zukunftsfähig zu machen?
Mit diesen Fragen befassten sich die 16 Teilnehmer des zweiten Think Camps 2017. In Vorträgen und intensiven Gesprächen entwickelten sie in drei Gruppen ihre Vision der Gesundheitsversorgung von morgen – und der Berufsbilder, die dazu nötig sind. Die Vorschläge reichten dabei von einer Abschaffung der doppelten Facharztschiene, einer Zusammenfassung der Berufskammern von Ärzten und Pflege bis hin zu einer gemeinsamen modularen Ausbildung von Berufen, die sich mit der Gesundheitsversorgung befassen.
Alle drei Gruppen waren sich einig: das Gesundheitssystem muss sich wandeln und Gesundheitserhalt und Patientenorientierung in den Fokus nehmen. Auch waren sich alle einig, dass sowohl die strikte Trennung der Sektoren als auch die Trennung innerhalb und zwischen den existierenden Berufsgruppen aufgebrochen werden muss. Dafür dienlich sahen zudem alle Teilnehmer eine elektronische Plattform, in der die Gesundheitsdaten zentral gesammelt und den Akteuren zur Verfügung gestellt werden können.
Gruppe Smart Health
Alexander Schmithausen, Marissa Rolls, Julia Schubert, Daniel Pichler, Laurenz Waider, Malte Dancker
Einen Wandel weg von der Fokussierung auf Krankheitsbehandlung hin zu Gesundheitsorientierung und Prävention stand im Fokus der Gruppe Smart Health. Dazu soll zunächst eine zentrale Plattform geschaffen werden. Infolgedessen entstehen neue Berufsbilder – unterteilt nach ihrem Einsatz bei gesunden oder kranken Menschen. Diese Plattform sieht die Gruppe als Disruption. Sie enthält alle Daten, ist kombiniert mit künstlicher Intelligenz und für alle Berufsgruppen zugänglich – wobei der einzelne Mensch entscheidet, wem er Zugang gewährt und wie viele Informationen er von sich preisgeben möchte.
Den gesunden Menschen steht ein Health Advocate zur Seite, der als Präventions- und Gesundheitscoach agiert. Er ist ein Generalist mit hoher Kommunikationsfähigkeit, der in einem Bachelor- und Masterstudiengang sowohl IT und medizinische Grundlagen erlernt als auch Statistik beherrscht, um die durch KI erhaltenen Aussagen bewerten zu können. Ein MHealth-Advisor berät über Kaufentscheidungen bezüglich Wearables und Apps; ein Genetic Risk Counsellor unterstützt, um die Ergebnisse genetischer Untersuchungen einzuschätzen und gezielt Konsequenzen daraus zu ziehen.
Im Krankheitsfall wird durch die KI automatisch ein Health Care Manager informiert und alarmiert, der einen Krankenhausaufenthalt koordiniert. Hier kommen zum einen spezialisierte Pflegekräfte zum Einsatz, zum anderen Fachärzte, die nach einem Grundstudium von sechs Semestern direkt einen spezialisierten Master absolviert haben. Einfachere ärztliche Tätigkeiten werden von Arztassistenten ausgeführt.
Die Präsentation der Gruppe finden Sie HIER
Gruppe eCare4You
Antje Gade, Jana Aulenkamp, Violetta Nüsung, Verena Petzold, Philipp Künkel
Auch die Gruppe eCare4U stellt den Erhalt der Gesundheit ins Zentrum des Gesundheitswesens der Zukunft. Als zentrales Element gibt es eine elektronische, onlinebasierte Gesundheitsplattform, auf der alle Informationen rund um den Gesundheitszustand jedes Einzelnen zusammenfließen. Dabei entscheidet jeder selbst, welche Daten er wem freigibt – und welche nicht. Damit Sektorengrenzen überwunden werden und verschiedene Berufsgruppen patienten- und prozessorientiert zusammenarbeiten, gibt es eine neue Berufsvertretung, die Gesundheitskammer. Sie ist zuständig für die lebenslange, modulare Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Akteurinnen und Akteure im neuen Gesundheitssystem. Als neue Berufsbilder gibt es Gesundheitshelfer, -berater und -spezialisten sowie Gesundheitsinformatiker. Bei der Ausbildung absolvieren dabei alle eine gemeinsam Einführungszeit und belegen im Laufe der Aus- und Weiterbildung immer wieder gemeinsame Module inkl. Praxistrainings (Simulationen). So kann eine interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit im Komplex des neuen Gesundheitssystems gewährleistet werden. Nicht zuletzt soll damit auch die klare Berufsgruppentrennung aufgehoben werden.
Die Arbeit der Gruppe finden Sie HIER
Gruppe ERNA
Magdalena Breu, Sina Haensel, Thomas Heisser, Cornelius Knopp, Patrick Walberer
Die Gruppe ERNA hatte die Sicherung einer flächendeckenden Versorgung im ländlichen Bereich im Fokus. Durch eine Stärkung der Telemedizin, den Einsatz von moderner Technologie (Wearables) und durch die Schaffung neuer Berufsgruppen wie beispielsweise den Medical und Technical Assistant soll die flächendeckende Versorgung gewährleistet werden. Der Schwerpunkt des Medical Assistants liegt auf chronischen Erkrankungen und der Geriatrie. Er übernimmt substituierende Tätigkeiten des Arztes (z.B. das Verschreiben von Medikamenten), so dass der Arzt sich auf seine Kernkompetenzen fokussieren kann. Die Aufgabe des Technical Assistants ist die Unterstützung bei allen Problemen, Anwendungsfragen oder Wartungen, die gegebenenfalls durch die Nutzung der Telemedizin und der modernen Technologien auftreten.
Durch die Schaffung dieser beiden Berufsgruppen werden die Patienten zum einen gezielt telemedizinisch von zu Hause aus in ihrem gewohnten Umfeld betreut und zum anderen im Falle einer Erkrankung strukturiert den passenden Fachärzten vorgestellt. Sowohl Doppelbehandlungen als auch Doppelverordnungen sollten damit der Vergangenheit angehören. Die Fachärzte sind zentral an einem Ort angesiedelt, sodass langfristig nicht mehr zwischen einem niedergelassenem und einem stationärem Bereich unterschieden werden kann. Auch Labore und Apotheken sollen langfristig dort integriert und zentralisiert werden.
Die Präsentation der Gruppe sehen Sie HIER
Teilnehmer Philipp Künkel hat in einem Blogbeitrag über das Think Camp berichtet – lesen Sie HIER
Gemeinsames Positionspapier
Im Anschluss an das Think Camp haben die Teilnehmer ein gemeinsames Positionspapier entwickelt. Darin beschreiben sie aus der Sicht junger Akteure des Gesundheitswesens, welche Veränderungen und welche neuen Berufsgruppen erforderlich sind, um das Gesundheitssystem an die demografischen und technischen Veränderungen anzupassen. Sie fordern einen Wandel weg von der Fokussierung auf Krankheitsbehandlung hin zum Erhalt der Gesundheit und eine sektorenübergreifende Versorgung. Die strikte Trennung zwischen pflegenden und ärztlichen Berufen soll aufgehoben, eine gemeinsame Berufskammer aufgebaut und die Aus- und Fortbildung aller Gesundheitsberufe lebenslang modular angeboten werden. Die Gesundheits- und Behandlungsdaten müssen auf einer elektronischen Gesundheitsplattform gesammelt vorliegen, wobei jeder Einzelne entscheiden kann, wem er Zugang gewährt.
Das Positionspapier lesen Sie HIER
Die Dozenten:
- Dr. Patrick Jahn, Leiter Stabsstelle Pflegeforschung und Entwicklung, Universitätsklinikum Halle (Saale)
- Prof. Dr. Achim Jockwig, Geschäftsführender Direktor, Carl-Remigius Medical School
- Prof. Dr. Christian Lovis, Professor and Chairman Division of Medical Information Sciences, University Hospitals of Geneva (HUG, University of Geneva (UNIGE)
- Martin U. Müller, Journalist DER SPIEGEL
Die Teilnehmer:
Jana Aulenkamp
Magdalena Breu
Malte Dancker
Antje Gade
Sina Hänsel
Thomas Heisser
Cornelius Knopp
Philipp Künkel
Violetta Nüsing
Verena Petzold
Daniel Pichler
Marissa Rolls
Alexander Schmitthausen
Julia Schubert
Laurenz Waider
Patrick Walberer